Mit dem Schulstart wächst nicht nur der Wissensdurst, sondern auch der Medienkonsum. Studien zeigen: Schon Grundschulkinder verbringen immer mehr Zeit vor Bildschirmen – sei es im Unterricht, auf Social Media, beim Videogucken oder Gaming. Gleichzeitig steigt mit der Einschulung die Sitzzeit deutlich an – mit spürbaren Folgen für die Gesundheit und den Kinderrücken. „Eltern fühlen sich dieser Entwicklung oft ausgeliefert, sind es aber nicht“, sagt Dr. Dieter Breithecker, Gesundheits- und Bewegungswissenschaftler sowie Experte der Aktion Gesunder Rücken (AGR) e. V. „Wer Bewegung gezielt in den Alltag einbaut und auf eine bewegungsfördernde und somit auch rückenfreundliche Ausstattung achtet, kann viel für die gesunden Entwicklungsprozesse seines Kindes tun.“ Die AGR zertifiziert besonders rückenfreundliche Produkte – darunter auch Schulranzen und Kindermöbel – nach Prüfung durch eine unabhängige Kommission medizinischer und wissenschaftlicher Experten.
Mit der Einschulung beginnt für Kinder ein neuer Lebensabschnitt – auch in körperlicher Hinsicht: Während Kita-Kinder viel rennen, toben und spielen dürfen, verbringen Schülerinnen und Schüler plötzlich mehrere Stunden täglich im Sitzen – im Unterricht, bei den Hausaufgaben und anschließend oft vor dem Bildschirm. Laut einer Studie des Instituts für Sport und Sportwissenschaft der Universität Heidelberg sitzen Kinder und Jugendliche rund 70 Prozent ihrer wachen Zeit – werktags rund 10,5, am Wochenende mehr als 7,5 Stunden pro Tag. Eine aktuelle Studie der OECD berichtet außerdem: In Deutschland verbringen Jugendliche pro Woche rund 48 Stunden vor Bildschirmen – das entspricht fast sieben Stunden täglich – ein Spitzenwert im internationalen Vergleich.
Sitzmarathon in Deutschlands Klassenzimmern
Dass langes Sitzen der körperlich-geistigen Gesundheit schadet, ist bekannt – doch für Kinder im Wachstum ist es besonders bedenklich. „Bewegungsmangel in Kombination mit hoher Bildschirmzeit hat gravierende Folgen“, warnt Breithecker. Die Symptome reichen von Konzentrationsproblemen, Schlafstörungen und Antriebslosigkeit bis hin zu Haltungsstörungen und Rückenschmerzen. Während in modernen Büros ergonomisches Arbeiten immer häufiger zum Standard wird, sitzen viele Schülerinnen und Schüler weiterhin auf starrem Sitzmobiliar und sollen stundenlang dem Unterricht folgen. „Entwicklungsgerechte ergodynamische Konzepte und Bewegung bleiben im Schulalltag häufig außen vor. Sport ist eines der ersten Fächer, das entfällt, wenn Lehrpersonen fehlen – das ist fatal für die Entwicklung und Gesundheit unserer Kinder“, kritisiert Breithecker.
Was Eltern tun können – Tipps vom Experten
Auch wenn sich Eltern manchmal machtlos fühlen – sie können viel tun, um einen gesunden Ausgleich zum Schulalltag zu schaffen. „Wer bei Ballsportarten, Fahrradfahren, Schwimmen oder einfach draußen Toben Spaß findet, tut seinem Körper Gutes und hat einen geringeren Bedarf, auf einen Bildschirm zu gucken“, empfiehlt Breithecker. Der Bewegungsexperte gibt Tipps, wie sich Aktivität ganz einfach in den Familienalltag integrieren lässt:
Mehr Lebensqualität dank Sport: Die allermeisten Menschen mit Herzproblemen profitieren von regelmäßiger Bewegung. Doch wer an der Erbkrankheit ARVC leidet, der steckt in einem großen Dilemma: Denn falsches Training kann tödlich enden. „Im schlimmsten Fall kann es zu heftigen Herzrhythmusstörungen kommen, die zum plötzlichen Herztod führen können. Doch zugleich haben insbesondere viele junge ARVC-Patienten das Bedürfnis, sich sportlich zu betätigen. Sie möchten nicht darauf verzichten“, weiß Professor Dr. Martin Halle, Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat der Deutschen Herzstiftung und Ärztlicher Direktor der Abteilung für Präventive Sportmedizin und Sportkardiologie im TUM Klinikum (Technische Universität München). Mit seinem Team aus Herzspezialisten und Sportwissenschaftlern arbeitet der Kardiologe derzeit an einem neuartigen Konzept, das Menschen mit dieser Erbkrankheit ein sicheres Training ermöglicht. Geplant sind konkrete Trainingsprogramme und eine APP, um die Belastung optimal dosieren zu können. Die Deutsche Herzstiftung fördert das Forschungsprojekt mit 100.000 Euro (Titel: „Evaluierung eines neuen Trainingskonzeptes auf Machbarkeit und Sicherheit bei Patienten mit Arrhythmogener (Rechtventrikulärer) Kardiomyopathie [ARVC/AVC]“).
„Mit ihrer Forschungsarbeit zu Trainingsformen für Patienten mit ARVC leisten Professor Halle und sein Team einen sehr wichtigen Beitrag sowohl zur Prävention des plötzlichen Herztods als auch zu einer besseren Lebensqualität der meist jungen Patienten mit ARVC“, erklärt der Kardiologe Prof. Dr. Thomas Voigtländer, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Herzstiftung, zur Förderung des Forschungsprojekts am TUM Klinikum.
Konkrete Handlungsempfehlungen gegen häufige Verunsicherung
Gerade junge Betroffene sind sehr häufig verunsichert. Sie fragen sich, ob sie sich im Alltag überhaupt belasten und Sport treiben können – und falls ja wie. „Für diese Patienten möchten wir konkrete Handlungsempfehlungen erarbeiten. Sie zielen darauf ab, ihnen die Unsicherheit zu nehmen, ihre Lebensqualität und psychisches Wohlbefinden zu verbessern und Begleiterkrankungen zu verhindern“, erläutert Herzstiftungs-Experte Halle.
Elektrische Turbulenzen im Herzen
ARVC ist eine Erbkrankheit, die in Deutschland etwa jeden 5000. Menschen betrifft. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie an die Kinder weitergegeben wird, beträgt unabhängig vom Geschlecht etwa 50 Prozent. Der wissenschaftliche Hintergrund: ARVC steht für arrhythmogene rechtsventrikuläre Kardiomyopathie. „Die Erkrankung resultiert aus Fehlbildungen der Wand der rechten Herzkammer. Dadurch verliert der Herzmuskel an seiner rechten Seite an Muskulatur, es lagert sich zunehmend Fettgewebe ein und es bilden sich Vernarbungen. Der Herzmuskel wird zunehmend geschwächt. Durch diesen chronischen Prozess kommt es zu elektrischen Turbulenzen im Herzen und Fehlfunktionen. Diese können im fortgeschrittenen Stadium lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen zur Folge haben“, erläutert Halle.
Bisherigen Forschungen zufolge geht die Erbkrankheit auf eine Störung der Zellverbindungen im Herzmuskel zurück. „Sie sind über bestimmte Brücken miteinander verbunden. Bei ARVC driften diese Brücken auseinander, die Verbindung der Zellen verliert sich“, erklärt Halle.
Weil sich die Erkrankung meistens in der Pubertät auspräge, stelle sie die jungen Menschen vor eine große Herausforderung, so der Kardiologe. „Die Jugendlichen und jungen Erwachsenen sind oft stark verunsichert. Sie treiben Fragen um wie diese: Kann ich am Schulsport teilnehmen? Kann ich zum Wandern und Skifahren gehen? Kann ich im Fitnessstudio trainieren oder joggen?“ Hierzu halte sich in der Ärzteschaft noch immer hartnäckig die Meinung, ARVC-Patienten sollten sicherheitshalber lieber grundsätzlich auf Sport verzichten, berichtet Sportkardiologe Halle. Diese Empfehlung sei allerdings nicht zielführend, weil sie viele junge Menschen frustriere und ihrer Lebenswirklichkeit diametral entgegenstehe. Zudem stehe einem kontrollierten moderat-intensiven Training meistens nichts im Wege. Allerdings seien genaue Pläne mit konkreten Empfehlungen zwingend erforderlich.
Sportkardiologe Prof. Halle: „Die Art der Belastung macht den Unterschied“
Nach den Erkenntnissen der Münchner Kardiologen und Sportwissenschaftler kommt es bei ARVC-Patientinnen und -Patienten entscheidend auf die Art der körperlichen Belastung sowie auf das individuelle Risikoprofil an. Die aktuelle DGPK-Leitlinie (1) bleibt allgemein in ihrer Empfehlung (Krafttraining wird nicht explizit erwähnt) und unterscheidet zwischen „Genträgern ohne typische Befunde“ und solchen mit ausgeprägten Merkmalen der Herzmuskelerkrankung („phänotypische Ausprägung“). Für beide Gruppen gilt: Leistungssport und hochintensiver Freizeitsport sollten vermieden werden. Bei einer phänotypischen Ausprägung sind milde bis moderate körperliche Aktivitäten unter bestimmten Voraussetzungen möglich – etwa wenn keine belastungsinduzierten Rhythmusstörungen, keine Synkopen oder kein Kreislaufstillstand vorliegen.
Prof. Halle und Kollegen postulieren, dass kurze Belastungen und Krafttraining wahrscheinlich eher unproblematisch sind. „Die Patienten sollten beispielsweise davon absehen, eine halbe Stunde zum Laufen zu gehen. Sie können aber durchaus mal eine Treppe hochsprinten, einen kurzen Power-Walk einlegen oder auch isometrische Übungen durchführen, beispielsweise Wandsitzen oder Hanteltraining. Mit dem von der Deutschen Herzstiftung unterstützten Forschungsprojekt wollen wir spezielle Trainingsprogramme entwickeln, die im Idealfall auch in eine APP integriert werden können.“
Anfang April 2023 endete die Corona Pandemie in Deutschland. Viele haben COVID-19 und alles, was damit zusammenhängt, inzwischen vergessen. „Ja, für viele spielt COVID-19 keine Rolle mehr“, bestätigt der Ergotherapeut Heiko Lorenzen „aber eben nicht für alle“. Mit „nicht alle“ meint er beispielsweise seine Co-Autorin des Therapieprogramms PACING 2.0, Anna Battisti. Der Kommunikationswissenschaftlerin mit Post COVID ist es dank dieses wissenschaftlich fundierten, ausgeklügelten Programms gelungen, ihre anfangs schweren Beeinträchtigungen so zu reduzieren, dass sie inzwischen zu den mild Betroffenen zählt. Ihr Wissen geben die beiden Expert:innen unter anderem in Fortbildungen an der Akademie des DVE (Deutscher Verband Ergotherapie e.V.) weiter.
Menschen mit Post COVID sind – je nach Schweregrad – unterschiedlich stark in ihrer körperlichen und/ oder geistigen Leistungsfähigkeit geschwächt. Die Schweregrade reichen von mild bis schwerst betroffen. „Die Bezeichnung „mild betroffen“ ist für Außenstehende leicht irreführend, denn selbst mild betroffen zu sein, bedeutet: massive Einschränkungen im Alltag durch hochgradige Erschöpfung (Fatigue), kognitive Beeinträchtigungen, Schlafstörungen und Kreislaufprobleme “, stellt Anna Battisti klar, wie sehr die Folgen einer Corona-Erkrankung das Leben Betroffener aushebeln können und fährt fort: „Schwerst Betroffene sind pflegebedürftig – mitunter sogar rund um die Uhr“. Im Klartext: Die möglichen Auswirkungen von Post COVID können äußerst schwerwiegend sein. Dazu der Ergotherapeut Lorenzen: „Es lohnt sich, bei Patient:innen, die nach einer überstandenen Corona-Infektion beispielsweise Konzentrationsschwierigkeiten oder Brain Fog aufweisen, zügig und zeitnah entsprechend ergotherapeutisch zu intervenieren – auch, um den Verlauf abzumildern oder eine Chronifizierung abzuwenden“. Bestehen nach der Infektion mit dem Corona Virus weiterhin Einschränkungen im Alltag, können Ärzt:innen eine ergotherapeutische Intervention verordnen und zwar unabhängig davon, ob die akute Erkrankung und auch die Rekonvaleszenzzeit überschritten sind.
Belastungsintoleranz: körperliche oder geistige Anstrengung verschlimmert Symptome
Extreme Erschöpfung mit Belastungsintoleranz als Folge einer Infektion mit dem Coronavirus entspricht den Symptomen einer bereits bekannten Erkrankung: ME/CFS (Myalgische Enzephalomyelitis/ Chronisches Fatigue Syndrom). Auch das Leben von Menschen mit dieser Erkrankung ist von übermäßiger Erschöpfung und weiteren zahlreichen Symptomen geprägt, weshalb die dafür zuständigen Stellen die Betroffenenzahlen zusammenfassen. In Deutschland handelt es sich laut Kassenärztlicher Bundesvereinigung – Stand 2023 – um immerhin rund 620.000 Menschen, also über sieben Prozent der Bevölkerung. Diese Menschen unterliegen einer ungemein niedrigen Belastungsgrenze, die sie tunlichst nicht überschreiten sollten, da sich sonst ihre Symptome verschlimmern. Nicht immer kommt es nach einer Überforderung zu einer Erholung; manchmal bleibt es bei der Verschlechterung. Eine derart schwierige Lage könnte hoffnungslos erscheinen, doch gibt es eine Perspektive: Neben Medikamenten, die die Symptome lindern können, werden Ansätze wie Pacing, das unter anderem bereits seit langem einen festen Platz in der Schmerztherapie hat, empfohlen. Pacing ist ein Energiemanagement, mit dessen Hilfe Belastungsgrenzen ausgelotet, die eigenen Ressourcen optimal eingesetzt und Überlastungen vermieden werden sollen. „Dieses bisher bekannte Pacing bildet die Grundlage für die Ausweitung auf PACING 2.0“, erklärt Heiko Lorenzen, der selbst Ergotherapeut und als Schulleiter für die Ausbildung von Ergotherapeut:innen verantwortlich ist. Er befasst sich seit mehr als 20 Jahren mit dem Thema „Fatigue und Energiemanagement“ und sagt: „Das Hauptproblem derjenigen mit ME/CFS oder Post COVID, ist die Belastungsintoleranz“. Dieser Aspekt und die drohende Symptomverschlimmerung spielen daher eine zentrale Rolle beim speziell für diese Erkrankten entwickelten PACING 2.0.
Partizipativ: Ergotherapeutisches Know-how plus Erfahrungen Betroffene
Durch das Einbeziehen der Perspektive einer Betroffenen ist es gelungen, das Therapieprogramm PACING 2.0 besonders zielgerichtet zu konzipieren. „Die Handlungsempfehlungen, die das ursprüngliche Pacing gibt, reichen für Menschen mit einer Belastungsintoleranz durch ME/CFS oder Post COVID meist nicht aus“, bestätigt Battisti. Der Ergotherapeut erklärt: „Bei Menschen mit ME/CFS oder Post COVID kann bereits eine minimale Belastung im Alltag zum Überschreiten ihrer individuellen Belastungsgrenze führen – es gibt einen sogenannten „Crash“, der zeitverzögert noch zwei Tage nach der Überlastung einsetzen kann“. Dieser Fall, der wie gesagt zu einer eventuell dauerhaften Verschlechterung des Gesundheitszustands führt, sollte möglichst selten oder besser gar nicht eintreten. Das lässt sich durch ein konsequentes Umsetzen der einzelnen Module von PACING 2.0 erreichen. „PACING 2.0 ist kein starres Programm, vielmehr gibt es Ergotherapeut:innen einen Rahmen, innerhalb dessen sie auf die individuellen Bedürfnisse, Fähigkeiten und weitere Faktoren, die im Leben der betroffenen Person eine Bedeutung haben, eingehen“, führt Lorenzen weiter aus.
Ergotherapeutische Analyse, Symptome und Emotionen benennen und differenzieren
In der ersten von drei Therapiephasen von PACING 2.0 schaffen Ergotherapeut:innen zunächst günstige Ausgangsbedingungen sowohl für ihre Patient:innen oder Klient:innen als auch für die therapeutische Beziehung selbst. Wer Post COVID oder ME/CFS hat, fühlt sich anfangs oft geschockt und gestresst – das ganze Leben ist aus der Bahn geraten. Daher ist zuerst ein gründliches Kennenlernen nötig und eine Analyse: Welche Symptome zeigen sich, wie ist der Status quo des Energiehaushalts, welche erreichbaren Ziele werden angestrebt, welche Emotionen wie Ängste, Wut, Frustration beeinflussen die Gedanken und den Alltag der betroffenen Person? „Es ist wichtig, Symptome und Emotionen differenziert zu betrachten“, erklärt der Ergotherapeut. Nicht alles ist alleine der Erkrankung geschuldet und negative Gefühle versperren oft den Blick auf die Realität. Daher ist der Punkt der „Selbstbeobachtung“ ein wichtiger Teil des Therapieprogramms, denn es ist nachweisbar: Durch eine differenzierte Wahrnehmung ihrer Symptome erleben Betroffene eine Zunahme des Kontrollgefühls, welches dem Gefühl der Selbstwirksamkeit ähnlich ist. Das sorgt für Beruhigung und reduziert Stress und Angst. Eine wichtige Voraussetzung, damit die Therapie greifen kann.
Ergotherapeutische Begleitung und Motivation – auch bei Rückschlägen
Mithilfe der ergotherapeutischen Erweiterung des klassischen Pacings lernen Betroffene in der zweiten Phase, sich konsequent so zu verhalten, dass es ihnen gelingt, ihre individuellen Belastungsgrenzen in allen Lebenslagen einzuhalten. „Verhaltensänderung ist mit das Schwierigste, was einem Menschen zuzumuten ist“, wissen Battisti aus Patientensicht und Lorenzen durch seine langjährige Erfahrung als Ergotherapeut. Eine ebenso große Herausforderung ist es, Menschen, die unter starkem Energiemangel und schlimmen Beschwerden leiden, durch diesen langen, anstrengenden Prozess zu leiten und zu begleiten. „Es gibt Aufs und Abs, was zusätzlich zu der zermürbenden Symptomatik der Grunderkrankung sehr belastend ist“, fasst der Ergotherapeut zusammen. Der therapeutische Ansatz ist, klare Handlungsanweisungen festzulegen, um Energie zu sparen, Energieverbrauch neu einzuteilen und dies alles fest in sämtlichen Lebenssituationen zu verankern. Hierfür gilt es, bei den Aktivitäten, die der betroffenen Person wichtig sind, Aufwand zu reduzieren, Hilfsmittel einzusetzen, Energiefresser wie Geräusche und andere Reize zu eliminieren, Handlungen zu analysieren, in Teilschritte zu zerlegen, sie sinnvoll neu zu clustern und reichlich Pausen – rechtzeitig, bevor ein Crash eintreten kann – einzuplanen und vor allem einzuhalten. Aktivitäten, die dem- oder derjenigen weniger wichtig sind, werden (zunächst) aussortiert oder delegiert.
Abschluss der ergotherapeutischen Intervention: Auswertung und Feedback
Menschen mit ME/CFS oder Post COVID geht es ähnlich wie anderen mit einer nicht sichtbaren Erkrankung: Für das Umfeld sieht diese Person aus wie immer, niemand nimmt von außen wahr mit welchen Problemen, Einschränkungen und Sorgen Betroffene tagtäglich konfrontiert sind – gerade, wenn man nicht im selben Haushalt lebt. Aber selbst dann ist es Nicht-Betroffenen nicht immer möglich, sich in den anderen Menschen hineinzuversetzen. „Wenn kein Verständnis da ist, ist das zutiefst verletzend – gerade, wenn es um Angehörige geht“, betont Battisti. Aufklärende Worte von Ergotherapeut:innen, die über die Erkrankung, deren Symptome und alles was damit einhergeht, tiefgreifendes Wissen haben und gut und verständlich vermitteln können, sind oft der Schlüssel für ein besseres Miteinander, was den Therapieerfolg weiter positiv beeinflusst. Das Krankheitsbild ist komplex und so ist auch alles, was damit zusammenhängt, vielschichtig. Ob es um das Bitten um Unterstützung, angemessene Kommunikation oder weitere Gesichtspunkte, die die Betroffenen selbst und ihr Umfeld betreffen, geht: In PACING 2.0 sind alle Aspekte zusammengeführt, die dazu beitragen können, den Betroffenen wieder zu mehr Lebensqualität zu verhelfen. Inklusive der Evaluation (Bewertung), sobald das Maximum dessen, was sich erzielen lässt, erreicht ist. Es ist typisch für Ergotherapeut:innen, und im Fall von Menschen mit ME/CFS oder Post COVID besonders wichtig, jeden kleinen Erfolg zu beleuchten und hervorzuheben. Das findet im Lauf der Therapie fortlaufend statt. „Zum Abschluss sieht PACING 2.0 vor, die Erfolge und alles Positive in Summe sichtbar zu machen“, verdeutlicht Lorenzen, wie Ergotherapeut:innen ihre Patient:innen und Klient:innen abschließend nochmals Selbstwirksamkeit verspüren lassen und langfristig für mehr Wohlbefinden und Teilhabe im Alltag sorgen.
Mehr über Anna Battisti und ihren Umgang mit ihrer Post COVID-Erkrankung ist hier zu finden: Anna Battisti (@annaslongcovidjourney) • Instagram-Fotos und -Videos. Auf seinem Instagram-Kanal @lebenmitfatigue informiert Heiko Lorenzen regelmäßig über Fatigue und Energiemanagement.
Informationsmaterial zu den vielfältigen Themen der Ergotherapie gibt es bei den Ergotherapeut:innen vor Ort; Ergotherapeut:innen in Wohnortnähe auf der Homepage des Verbandes unter https://dve.info/service/therapeutensuche. Zum Podcast gerne hier entlang: https://dve-podcast.podigee.io/
Bis zu 30 Prozent Kinder und Jugendliche, die intensiv Sport treiben, sind von Rückenschmerzen betroffen. Ursachen sind eine falsche Belastungssteuerung, eine frühe Spezialisierung auf eine einzige Sportart und eine falsche bzw. fehlende Prävention. Wann und wie schnell eine Diagnostik erfolgen sollte und warum das so wichtig ist, darüber berichtet Priv.-Doz. Dr. Michael Cassel, leitender Oberarzt der Hochschulambulanz der Universität Potsdam, auf dem 16. Zeulenrodaer Kongress für Orthopädie und Sportorthopädie (ZKOS).
Brandenburger Daten an über 2000 Kindern und Jugendlichen aus dem Nachwuchsleistungssport zeigen eine altersabhängige Entwicklung von Rückenschmerzen. Demnach kommen wenige Kinder mit Rückenschmerzen in einem Alter von 11 Jahren zum Leistungssport. Bereits mit 14 Jahren klagen dann 20 Prozent von ihnen über Rückenschmerzen.
Besonders betroffen sind unter anderem die Wassersportarten Rudern und Kanu, aber auch Ringer, Turner, Turmspringer, Fußballer, Handballer, Judoka und Tennisspieler. Während in der Bevölkerung die Skoliose und der Scheuermann meist bekannt sind, geht es in den sportärztlichen Untersuchungen jedoch häufig um mehr.
„Wir haben im ambitionierten Sport ein relevantes Problem“, sagt Dr. Cassel, „Wirbelbogen-Ödeme sind immer häufiger zu sehen und führen bei nicht rechtzeitiger Diagnostik zu langwierigen Behandlungen aufgrund sich daraus entwickelnder Wirbelbogenbrüche.“
Rund ein Viertel bis ein Drittel der zwischen 11 und 17jährigen jungen Sportler haben ein hohes Risiko eine Stress-Fraktur des Wirbels durchzumachen und eine Spondylolyse auszubilden. Mit etwa 80 Prozent sind die Wirbel L4, L5 am häufigsten betroffen, seltener L2, L3. Die jungen Patienten kommen dann zum Teil mit großen Einschränkungen und Schmerzen und können sich kaum bewegen.
Dies muss unbedingt verhindert werden. Eine Leitlinie zum kindlichen Rückenschmerz aus der Pädiatrie empfiehlt daher insbesondere bei Kindern, die über 2 Wochen lang Rückenschmerzen haben, frühzeitig eine bildgebende Diagnostik einzuleiten.
Ärztliche Abklärung auch bei Freizeitsportlern
Auch Dr. Cassel empfiehlt eine klinische Anamnese und anschließende Diagnostik, wenn ein Kind den Alltag einschränkende oder wiederkehrende Rückenschmerzen hat, die länger als 14 Tage anhalten.
Nicht selten finden sich bereits kleine Stressverletzungen des Knochens, die unbehandelt voranschreiten und sich im Rahmen fortgeführter Belastungen schrittweise zu einer Stressfraktur fortenzwickeln.
Während im Spitzensport kooperierende Sportärzte an den Trainingsstützpunkten solche Dinge oft schon nach frühzeitig abklären, sind intensive Freizeit-Sportler (zum Beispiel mehrfach die Woche Fußball-Training und am Wochenende Turnier) ebenso gefährdet.
Cassel appelliert an Trainer, Betreuer und Eltern ein wachsames Auge auf die jungen Sportler zu haben. In der akuten Rückenschmerzphase sollte der Sport unterbleiben, bis alles ärztlich abgeklärt ist. Die Aufgabe der Orthopäden und Sportärzte ist die Differenzierung einer spezifischen von einer unspezifischen Rückenschmerz-Ursache, sodass die Behandlung adäquat eingeleitet werden kann.
Beim unspezifischen Rückenschmerz beispielsweise sollte man ein Kind nicht aus dem Schulsport nehmen.
Stressbrüche an den Wirbeln jedoch brauchen bis zu 6-9 Monate Zeit. Je früher sie behandelt werden, desto eher ist die vollständige Heilung erreichbar. „Das Problem ist die lange Zeit“, so Cassel, „kein junger Sportler will so lange aussetzen.“